Die unsichtbare Last: Männer und ihre seelische Gesundheit

Am 3. November findet der Weltmännertag statt. Seit über zwei Jahrzehnten wird dieser Tag jährlich begangen, um auf die Bedeutung der Gesundheit von Männern aufmerksam zu machen. Die seelische Gesundheit ist von entscheidender Bedeutung für das Wohlbefinden eines jeden Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Hintergrund.

Doch in der heutigen Gesellschaft wird immer deutlicher, wie wichtig es ist, das Schweigen zu brechen und gezielt über die seelische Gesundheit von Männern zu sprechen. Warum? Weil die traditionellen Geschlechterrollen und sozialen Erwartungen oft dazu führen, dass Männer ihre eigenen seelischen Herausforderungen herunterspielen oder verbergen. Die Unterdrückung von Emotionen und seelischen Gesundheitsproblemen können zu gesundheitlichen Risiken führen, da sie zu chronischem Stress, Depressionen und anderen ernsthaften Erkrankungen beitragen können.

Wir unterhalten uns mit Herrn Roman Frank Jitten, Chefarzt in der Celenus Klinik Kinzigtal in Gengenbach über die einzigartigen Herausforderungen und Druckfaktoren, denen Männer in Bezug auf ihre seelische Gesundheit ausgesetzt sind, und über Wege, wie sie Unterstützung finden können.

Herr Jitten, wie sieht es um die seelische Gesundheit der Männer in Deutschland aus?

In Deutschland sind psychische Erkrankungen weit verbreitet. Laut dem Robert Koch-Institut waren im Jahr 2019 etwa 28,8% der Bevölkerung von 18 bis 79 Jahren von mindestens einer psychischen Störung betroffen. Dies betrifft sowohl Männer als auch Frauen. Statistiken zeigen, dass Männer und Frauen unterschiedliche Präferenzen bei der Art der psychischen Gesundheitsprobleme haben. Männer neigen dazu, eher unter Alkoholmissbrauch und Suchterkrankungen zu leiden, während Frauen häufiger mit Depressionen und Angststörungen konfrontiert sind.

Darüber hinaus ist Suizid ein ernstes Problem in Deutschland und betrifft häufiger Männer als Frauen. Im Jahr 2019 gab es in Deutschland insgesamt 9.682 Suizidfälle. Von diesen waren etwa 75% der Betroffenen Männer.

Wie sieht der Zugang der Männer zur psychischen Gesundheitsversorgung aus?

Einige Studien deuten darauf hin, dass Männer im Vergleich zu Frauen weniger wahrscheinlich sind, professionelle Hilfe für ihre seelische Gesundheit in Anspruch zu nehmen. Dies könnte auf traditionelle Geschlechterrollen und Stigmatisierung zurückzuführen sein. Es gibt vermehrt Bemühungen in Deutschland, die seelische Gesundheit von Männern zu fördern und den Zugang zu entsprechender Versorgung zu erleichtern. Es werden Präventionsprogramme und Informationskampagnen entwickelt, um die Sensibilisierung zu erhöhen und die Tabuisierung psychischer Gesundheitsprobleme zu verringern.

Kann man in diesem Zusammenhang von einer männlichen Stigmatisierung sprechen?

Ja, absolut. Dies ist ein ernstes Anliegen, das oft übersehen wird. Gesellschaftliche Erwartungen und Stereotypen setzen Männer häufig unter Druck, in der Öffentlichkeit als stark, gefasst und unerschütterlich wahrgenommen zu werden. Diese traditionellen Geschlechterrollen können dazu führen, dass Männer ihre seelische Gesundheit vernachlässigen und es vermeiden, über ihre inneren Gefühle und Emotionen zu sprechen.

In vielen Kulturen wird emotionale Verletzlichkeit oft als Schwäche interpretiert, was zur Stigmatisierung von Männern führt, die sich öffnen oder um Hilfe bei seelischen Problemen bitten. Dies kann dazu führen, dass Männer ihre emotionalen Belastungen unterdrücken, was langfristig zu schwerwiegenden Folgen für ihre seelische Gesundheit führen kann. Die Unterdrückung von Gefühlen kann Stress und Angst verstärken und die Bewältigung von seelischen Herausforderungen erschweren.

Wer bietet Unterstützung, wenn der Druck zu groß wird?

Es ist von entscheidender Bedeutung, Männer dazu zu ermutigen, offen über ihre Gefühle und seelische Gesundheit zu sprechen. Freunde und Familie können eine unschätzbare Unterstützung bieten. In einem unterstützenden Umfeld, in dem Männer sich frei fühlen, über ihre Gedanken und Gefühle zu sprechen, können sie die nötige emotionale Entlastung finden und die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um ihre seelische Gesundheit zu stärken.

Professionelle Therapeuten und Psychologen bieten spezialisierte Unterstützung und Ratschläge, die Männer dabei unterstützen, ihre seelische Gesundheit zu verbessern. Sie bieten einen sicheren Raum, in dem Männer ihre Gefühle und Gedanken ausdrücken können, ohne Furcht vor Vorurteilen oder Stigmatisierung. Therapeuten können helfen, Bewältigungsstrategien zu entwickeln, psychische Gesundheitsprobleme zu identifizieren und geeignete Behandlungswege aufzuzeigen. Eine psychosomatische Rehabilitation in der Celenus Klinik Kinzigtal ist z.B. indiziert, wenn depressive Erkrankungen, stressbedingte körperliche Belastungsstörungen den Patienten belasten. Ziel einer stationären Rehabilitation sollte immer sein, die körperlichen, seelischen und sozialen Beeinträchtigungen so weit zu reduzieren, dass sie entweder ganz beseitigt sind oder eine ambulante Weiterbehandlung im heimatlichen Umfeld ermöglichen. Die Reduzierung alltäglicher Pflichten sowie der Abstand von heimischen und beruflichen Belastungen führen zu Erholungseffekten, die eine differenzierte Therapie erst wirksam werden lassen. Hinzu kommen Freizeitaktivitäten, die dem Wohlbefinden, der Gesundheitsförderung sowie der Ermöglichung positiver Beziehungserfahrungen dienen. 

Welches Fazit haben Sie?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die seelische Gesundheit bei Männern genauso wichtig ist wie bei Frauen. Es erfordert einen kulturellen Wandel, um die Akzeptanz und Unterstützung für Männer in Bezug auf ihre seelische Gesundheit zu fördern. Die Förderung von Offenheit, Unterstützungsnetzwerken und professioneller Hilfe kann dazu beitragen, die Lebensqualität von Männern zu verbessern und psychische Gesundheitsprobleme effektiver zu bewältigen.